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bindungsangst

Bindungsangst besteht genau genommen aus einem emotionalen Dilemma. Einerseits gibt es Angst vor der Bewältigung intensiver Emotionen. Denn Nähe intensiviert alle Emotionen, egal ob positive oder negative. Zusätzlich ist eine Bindung keine lose, sondern eine verbindliche Beziehung, aus der man in der Regel nicht aussteigen kann, ohne Folgen für das eigene Leben zu gewärtigen. Andererseits haben Menschen natürliche Bindungsbedürfnisse und den Wunsch nach intensiven positiven Emotionen in ihrem Leben. Bindungsbedürfnisse sind durch die Evolution tief in uns verankert. Intensive positive Emotionen wie Liebe, Begehren und Geborgenheit können im Leben nur erfahren werden, wenn man einen andern Menschen dauerhaft in seine Nähe lässt. Bindungsangst hat viele Gemeinsamkeiten mit dem vermeidenden Bindungsstil.

In diesem Dilemma bewegen sich jene, welche Angst vor Nähe haben. Die Lösung dieses Dilemmas ist für die meisten unter uns das Bewusstwerden, dass Nähe-Bedürfnisse im Leben schlichtweg nicht ignoriert werden können. Frustrieren wir uns in diesen Bedürfnissen nach Verbindung, dann entstehen häufig schwierige Lebenssituationen, die von zu vielen Verlassenheitsgefühlen, zu viel Einsamkeit und Sinnlosigkeit und Verzweiflung geprägt sind.

Deshalb ist es zentral, Zugang zu diesen Bedürfnissen zu haben und sie zu leben. Und deshalb ist es wichtig, sich der Angst vor Nähe zu stellen.

 

Hintergründe zum Thema "Angst vor Nähe"

  • Die Elternbeziehung wurde als schlecht oder in verschiedenen Punkten als abschreckend erlebt. Das Bindungsangebot der Eltern an einem selber ebenso.
  • Der Umgang mit intensiven positiven Emotionen (z.B. "ich liebe dich") fällt schwer. Sie löst grosse Verletzlichkeit aus. Es ist, als ob man sich zu verloren fühlt, würde man einem andern Menschen tatsächlich die Liebe, die Zuneigung, die Dankbarkeit für seine Gegenwart, die eigene Bedürftigkeit nach Verbindung eingestehen, die man empfindet.
  • Es bestehen unbewusst grosse Zweifel daran, dass man selber tatsächlich ein liebenswerter Mensch ist. Die Angst vor Zurückweisung ist gross. Der emotional sicherste Ort vor dieser Zurückweisung ist das Alleine-Bleiben.
  • Es besteht eine uneingestandene Angst vor emotionaler Abhängigkeit, somit ist die Verletzlichkeit sehr gross. Verletzlichkeit wird in der Regel gemieden. Aber gerade in nahen Beziehungen braucht es einen pro-aktiven Umgang mit der eigenen Verletzlichkeit, sonst entsteht keine positive Nähe.
  • In der Nähe kann es schwieriger sein, sich selber zu bleiben. Man hat das Gefühl, dass man zu viele Erwartungen erfüllen müsste und das "Eigene" auf der Strecke bleibt: Die eigenen Bedürfnisse, der eigene Wille, Wünsche, Präferenzen und dass es einem nicht gelingt auszudrücken, wenn einem etwas fehlt. Meistens ist damit eine übertriebene Vorstellung von Freiheitsverlust verbunden. Wäre es einfacher, in nahen Beziehungen sich selber zu bleiben, dann würde nicht nur der Verlust an Freiheit gesehen werden, sondern auch die Befriedigung gespürt werden, welche nahe Beziehungen geben können.
  • Spezifische Formen der Nähe, vor allem sexuelle Nähe, sind irgendwann im Leben zu einem ungelösten Problem geworden. Aufgrund dessen wird dann jede wirkliche Beziehungsnähe gemieden, aus Angst, man würde mit dem ungelösten Problem in einer neuen Beziehung nicht fertig. Hier ist die Grundemotion Scham, welche überwunden werden müsste.
  • Eine vergangene Partnerschaft hat viel Verunsicherung, unerledigte Trauer und auch Wut hinterlassen. Neue Beziehungen werden deswegen gemieden.
  • Die eigene Herkunftsfamilie (Eltern) steht einer neuen, eigenen "Zelle" (Bindung, eigene Familie) stets skeptisch und intolerant gegenüber. Diese negativen elterlichen Reaktionen führen zu keiner vernünftigen Abnabelung und Grenzsetzung gegenüber den Eltern zugunsten der eigenen Bindungszukunft, sondern führen zu einer Vermeidung von Bindungen, um Konflikte mit den Eltern nicht entstehen zu lassen.

 

Merkmale und Folgen von "Angst vor Nähe"

  • "Ewige" Suche nach der Richtigen oder nach dem Richtigen. Die meisten Beziehungs-Erlebnisse werden in einer rigiden Art und Weise nach dem Schema "Mister Right" oder "Misses Right" interpretiert.
  • Bindungsängste erscheinen auch als innerer Konflikt zwischen (zu) hohen Partneridealen einerseits und dem Bedürfnis nach Nähe und Bindung andererseits (beispielsweise zum vorhandenen Partner).
  • Sehr kritische Haltung gegenüber andern nahen Menschen und ihren Eigenschaften. Auf der andern Seite eine Unsicherheit, ob man selber auch wirklich geliebt werden kann.
  • Die Bedürfnisse nach Geborgenheit, Sicherheit und Liebe erscheinen oft als absoluter Gegensatz zu Freiheit und Eigenständigkeit.
  • Wenn es um "Nägel mit Köpfen" geht, dann ist meistens der andere Partner die treibende Kraft. Und häufig ist das ein Grund für mehr Distanz und ein Auslöser für ganz starke Zweifel und Ängste. Zum Beispiel eine gemeinsame Reise, zusammen ziehen, Kinderplanung, Heiratswunsch etc.
  • Negative Emotionen der Verletzlichkeit (zoom-link)überfordern und schrecken ab, obwohl jede Beziehung letztlich daran wachsen muss. Beziehungen werden deshalb immer wieder versucht und dann abgebrochen.
  • Wahrnehmungszuspitzungen und Wahrnehmungsverzerrungen bezüglich äusserer Merkmale eines potentiellen Partners: Das kann beim Geruch, der auf einmal nicht stimmt, anfangen, weiter gehen zum "Gang", den jemand hat, über die Laute, die jemand vor sich gibt beim Lachen. Alles kann manchmal als störend empfunden werden und wird in der Regel so interpretiert, dass es eben nicht die Richtige, der Richtige ist.
  • Wenn das Dilemma zwischen Bindungsbedürfnissen und der Angst sehr gross ist, kann es zu Isolierung, Rückzug und Selbstausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben führen. Bestimmte Verhaltensweisen, um den Schmerz zu betäuben, können auch überhand nehmen, so zum Beispiel exzessiver Alkoholkonsum.

 

Beispiel "Angst vor Nähe"

Pierre ist seit mehr als vier Jahren mit Carina zusammen. Pierre belastet es sehr, dass er nicht wirklich hinter der Beziehung steht. Er hat das Gefühl, gegenüber Carina nicht aufrichtig zu sein. Er sagt in einer therapeutischen Einzelsitzung folgendes über seine Beziehung:

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"Ich fühle mich die meiste Zeit wohl mit ihr. Ich fühle mich auch verstanden von Carina, wie noch selten von einer Partnerin." "Wenn ich mit ihr zusammen bin, dann ist die Zeit mit ihr oft  schön". "Aber ich frage mich immer: Liebe ich sie wirklich? Reichen meine Gefühle für eine verbindliche Beziehung? Und dann gibt es da zwei, drei Punkte, die stören mich ungemein an ihr! Da ist ihr Alter, sie ist drei Jahre älter als ich. Das ist irgendwie doch ungewöhnlich für einen Mann. Und beim Sex könnte sie leidenschaftlicher sein..." Immer, wenn ich dann wieder für mich alleine bin, dann tauchen in mir heftige Zweifel auf, ob ich die Beziehung nicht nächstens beenden sollte. Ich kann auch oft nicht anders als daran zu denken, ob nicht noch eine bessere Frau irgendwo auf mich wartet..."

Auf die Frage, ob er die in ihm vorhandenen schönen und positiven Gefühle ihr gegenüber auch ausdrückt, meint Pierre: "Eher nicht, eigentlich nie, ich könnte dann ein falsches Zeichen aussenden. Sie könnte dann meinen, es sei jetzt alles gut. Aber dafür weiss Carina alles über meine Zweifel... "