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Verletzlichkeit und affektive Geste

Wut-Paar1 Positive Nähe kann entstehen, wenn wir unsere negativen Gefühle der Verletzlichkeit offen legen und sie mit einem Bedürfnis nach affektiver Geste verknüpfen.

Eine echte Bindung oder Partnerschaft zeichnet sich dadurch aus, dass positive Nähe gerade wegen einer kritischen Situation entstehen kann. Es ist dann eben nicht das Ende, sondern im Gegenteil eine Gelegenheit, die Beziehung zu vertiefen, voneinander zu lernen, sich kennen zu lernen und weiter zu entwickeln.

Es gehört zu jeder Bindung, dass wir uns manchmal traurig fühlen, wütend sein können (verletzt), Angst haben, uns verlassen oder hilflos fühlen: Solche negativen Emotionen der Verletzlichkeit (zoom-link) sind gerade in einer Partnerschaft zwingend intensiver als mit Personen, die uns nicht so nahe stehen. Denn Nähe intensiviert alle Emotionen, egal ob positiv oder negativ.

Wer einen pro-aktiven Umgang mit seiner eigenen Verletzlichkeit hat und sich nicht im Selbstschutz verschanzt, der stellt zum Partner letztlich positive Nähe her.

 

Offenlegung der Verletzlichkeit

Es wäre ein fundamentaler Beziehungsirrtum zu glauben, dass in einer Bindung oder Partnerschaft möglichst keine negativen Emotionen vorhanden sein dürfen. Das ist zwar wünschbar, aber sehr unrealistisch und im besten Fall eine übetrieben romantische Vorstellung von Zweisamkeit.

Eine Partnerschaft hat vielmehr als Hauptmerkmal, dass solche Emotionen der Verletzlichkeit gezeigt werden dürfen, ja müssen! Wo denn, wenn nicht hier?

Bei einer Bindung oder Partnerschaft besteht die Notwendigkeit, solche negativen emotionalen Zustände offen zu legen, sichtbar zu machen, sich schwach, verletzlich und verwundbar zu zeigen. Wenn das die Partner nicht tun, so können sie schnell in eine negative Nähe geraten. Die Bindung fühlt sich belastet an, weil Ungesagtes, Unausgesprochenes und nicht Offengelegtes zwischen den Partnern steht.

Nach der ersten Phase der Verliebtheit wird der Moment zwingend kommen, wo einer der beiden sich beispielsweise vernachlässigt fühlt, Angst um die Beziehung hat, sich verletzt fühlt (also wütend, dann traurig ist), einer bestimmten Erwartung des Partners hilflos gegenüber steht oder erschöpft nach Hause kommt und keine Kraft mehr für die Bedürfnisse des andern hat. Eine Beziehung muss an solchen Problemen wachsen und an Tiefe und Verbindlichkeit gewinnen, will sie zur Partnerschaft werden.

 

Merkmale der Offenlegung

Das Sichtbarmachen und Offenlegen der eigenen Verletzlichkeit ist eine spezielle und sehr wertvolle Beziehungssituation:

  • Wer seine Verletzlichkeit offen legt oder vorhat, dem Partner die Verletzung, die Angst, Hilflosigkeit oder Unsicherheit mitzuteilen, kann sich schwach, leicht schwindlig, ängstlich etc. fühlen. Das ist normal und unter Umständen nicht vermeidbar. Genau diese Ängste oder Unsicherheiten könnten auch in Ärger, Wut, falschen Stolz oder Sturheit umgewandelt werden, was dann zu negativer, statt positiver Nähe führen würde.
  • Wer Schwäche oder Verletzlichkeit zeigt, mutet seinem Partner auch ein intensives Gefühl zu, das ihn im allerersten Moment vielleicht überfordert. Das ist normal. Der Partner erkennt in der Regel intuitiv und spontan, dass es sich um etwas Wichtiges handelt und wird aufmerksam zuhören.
  • Meistens führt eine solche Selbstöffnung dazu, dass der andere Partner sich auch öffnet und etwas erzählt, was zu längeren, interessanten und bedeutsamen Gesprächen und intensivem Austausch führt.
  • Gespräche, die daraus entstehen, sind eine Wachstumssituation für die Beziehung. Die Beziehung entwickelt sich dadurch weiter. Häufig entsteht mehr Vertrauen, mehr Verständnis, mehr Rücksicht. Insgesamt mehr Tiefe.

 

Beispiel einer Offenlegung der Verletzlichkeit

Wut und Selbstschutz

Helga (oder Jules) hätten ihre jeweilige Traurigkeit auch in Wut oder (falschen) Stolz umwandeln können. Aus dieser Selbstschutzemotion wäre ein Angriff (Kritik) oder auch ein Rückzug möglich gewesen, womit negative Nähe entstanden wäre.

Zum Beispiel hätte Helga auch auf einmal vom Sofa aufstehen, ohne ein Wort in ein anderes Zimmer verschwinden und dabei die Zimmertüre unüblicherweise zumachen können.

Positive Nähe kann entstehen, wenn wir unsere negativen Gefühle der Verletzlichkeit offen legen und sie mit einem Bedürfnis nach affektiver Geste verknüpfen.

"Als wir so am Frühstückstisch sassen, ohne dass wir zueinander gesprochen haben, da hatte ich das Gefühl, du wolltest gar nicht mehr mit mir zusammen sein, ich wurde sehr traurig", sagt Helga am Abend, als beide vor dem Fernseher den "Tatort" anschauten.

Bevor sie diesen Satz ausdrückte, hatte sie Jules' Hand in die ihre genommen. Er schaut zwar noch halb in den Flimmerkasten, aber dann wendet er sich zu ihr zu und sagt: "Stimmt, ich war sehr stumm am Morgen. Dass du gar keine Lust zum Kuscheln hattest gestern Nacht, das war schwierig für mich, ich konnte nicht einschlafen nachher. Ich glaube, ich fühlte mich zurückgestossen, eigentlich war ich auch nur traurig." Helga nickte beim Zuhören. Dann nahmen sie sich in die Arme und schauten den Tatort fertig. 

Helga drückt ihre Traurigkeit und ihr Verlassenheitsgefühl aus, und Jules akzeptiert diesen emotionalen Zustand. Sie zeigt eine negative Emotion der Verletzlichkeit, legt sie offen. Der Mann tut anschliessend dasselbe. Während dieses kurzen, ehrlich-offenen Austausches bestand ein affektiver Kontakt: Sie hielt seine Hand.