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Bei vielen Partnern drücken sich persönliche Belastungen sowie Probleme innerhalb der Partnerschaft im Bereich der Sexualität aus. In der Regel bedeutet das fast immer, dass einer oder beide Partner sich aus der Sexualität (teilweise) zurückziehen.

Die Erfahrung zeigt, dass es zwei Arten von Problemen geben kann. Einerseits können die gerade erwähnten Vermeidungs- und Rückzugstendenzen aus der Sexualität aufgrund von sehr verschiedenen Problemen rund um die Bindung entstehen. Andererseits kann sich mit zunehmender Zeit ein Mangel an Anziehung und Erotik in die Beziehung einschleichen.

Es macht deshalb Sinn, die beiden Probleme voneinander zu unterscheiden.

Vermeidung und Rückzug

Sex ist mit der Zeit abhanden gekommen aufgrund verschiedener Partnerschaftsprobleme, die sich in einem  Rückzug (Vermeiden, Verweigerung) ausdrücken. Egal, um welche Probleme es sich handelt, stets geht es um negative Emotionen der Verletzlichkeit (zoom-link), welche zum Rückzug führen. Die Probleme, welche zu einem Vermeiden und zu Rückzug aus der Sexualität führen, können sowohl direkt mit der Beziehung zu tun haben, wie auch Probleme sein, welche von aussen in die Beziehung hineingeraten. Schliesslich gibt es auch individuelle Sexualprobleme, die sich unbarmherzig in der Beziehung äussern.

Mangelnde Anziehung und verloren gegangene Erotik

Viele Paare erleben, dass Ihre Partnerschaft in den meisten Bereichen der Nähe schön und zufriedenstellend ist. Aber im Bereich der Sexualität fehlt nach einigen oder mehr Jahren Begehren und Lust. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Fehlen von Begehren und Erotik teilweise der Gewohnheit angelastet werden muss. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich häufig eine Kombination aus "Routine", "mangelnder Auseinandersetzung mit Alternativen im Leben" und "zu viel Nähe", welche sich auf das vorhandene Begehren negativ auswirkt . Das Spüren von Begehren hängt bei vielen Partnerschaften auch davon ab, dass die Partner jeweils auch "getrenntes Erleben" haben, mit dem sie aufeinander wieder zugehen können. Damit ist vor allem auch das konkrete Alltagsleben gemeint.

Es ist bis zu einem gewissen Grad normal, dass die Häufigkeit an sexuellen Kontakten mit der Dauer der Beziehung abnimmt. Wohl deshalb sagt man spasseshalber, dass nach 12 Ehejahren über 90% der Paare ausgefallenen Sex praktizieren: Vorletzten Monat ausgefallen, letzten Monat ausgefallen, auch diesen Monat bisher ausgefallen...

 

Hintergründe von Rückzug und Vermeidung

Typisch für Vermeidung und Rückzug ist, dass dieses Verhalten aufgrund von Problemen in der Beziehung entstanden ist. Der sich zurückziehende Partner wäre eigentlich froh, wenn es gelänge, den Rückzug zu beenden. Er fühlt sich aber emotional nicht in der Lage dazu.

Rückzug und Vermeidung aufgrund anderer Nähe-Defizite und Probleme

  • Sexuelle Probleme in der Partnerschaft haben mit einem Rückzug aus diesem Bereich begonnen, weil andere Nähe-Bedürfnisse zu kurz gekommen sind oder unerledigte emotionale Verletzungen vorhanden sind.
  • Wenig bis kein Ausdruck positiver Emotionen ausser als Wunsch nach Sex bei einem Partner.
  • Verletzungen verbaler Art (Beleidigungen, Herabsetzungen etc.) und entsprechende negative Emotionen wie Traurigkeit und Wut
  • Sich zu alleine gelassen fühlen in der Bindung zum Partner
  • Wenig erlebte Partnerschaftsnähe in Form von Gesprächen, gemeinsamen Aktivitäten, Ritualen, Zukunftsplanungen etc.
  • Erwähnenswert ist das Problem, wenn einer der Partner sich zu sehr anpasst an den anderen und deshalb zu wenig Eigenständigkeit im Beziehungsleben insgesamt ausleben kann. Auch das führt oft zu einem Rückzug aus der Sexualität.

Andere Problemquellen: Äussere Faktoren und Persönliche Probleme mit Sexuaität

  • Ebenso häufig ist, dass Erschöpfung und Stress wegen der Familie einerseits und / oder wegen der Arbeit andererseits zu einem Rückzug aus der Sexualität führten. Meistens haben sich die Partner hier emotional zu wenig unterstützt. Anerkennende Emotionen werden zu häufig unterbrochen respektive gar nicht ausgedrückt und vorenthalten.
  • Ein häufig anzutreffendes Problem ist, dass ein Partner zu viel Druck und Anspannung erlebt. Die Anspannung steht nicht im direkten Zusammenhang mit der Paarbeziehung, sondern hat "äussere" Faktoren. Zum Beispiel Arbeitsprobleme, Probleme mit der Herkunftsfamilie, Probleme mit den Kindern oder "Überdosis" an Nähe und Präsenz als Eltern (z.B. als Mutter). Auch das kann zu Rückzug und Vermeidung führen aufgrund von Überforderung und Erschöpfung.
  • Rückzüge aus der Sexualität und ein Vermeiden derselben kann es geben, weil Sexualität selber belastet ist. Zum Beispiel aufgrund von Leistungsdruck bei Männern und entsprechenden negativen sexuellen Erlebnissen mit der Partnerin. Ähnlich gelagert ist ein selbstkritischer Umgang mit dem Körper, der eher bei Frauen zu einem Rückzug führt.
  • Hohe Erwartungen an sich selber, kritische Strenge und harte Massstäbe bezüglich Erfolg/Misserfolg sind häufig individuell problematische Haltungen, deren Nachteile sich in der Paar-Sexualität unbarmherzig äussern können. Wenn es  einmal sexuell nicht gut läuft (was natürlicherweise vorkommt) oder sonst wie Druck im Berufsleben da ist, mit dem man nicht fertig wird, dann kann es schnell zu sexueller Verunsicherung und entsprechendem Rückzug kommen.

Alle diese Varianten des Rückzugs können auch kombiniert vorhanden sein: Die Partner spüren individuell viel Druck und Anspannung bezüglich der Sexualität, und gleichzeitig ist dieser Bereich der Nähe aufgrund anderer Probleme in der Beziehung zusätzlich belastet worden.

 

Hintergründe von mangelnder Anziehung und Erotik

Verloren gegangene körperliche Anziehung kann unter anderem damit zu tun haben,...

  • dass die Partner in zu vielen Bereichen einen effizienten und freundschaftlichen Konsens des Zusammenlebens und Funktionierens gefunden haben, der aber für zumindest einen der Partner oder für beide auch ganz anders sein könnte.
  • Mangelnde Anziehung und Erotik kann entstehen, weil sich eine Überanpassung an ein rundes, stimmiges und effizientes Funktionieren eingeschlichen hat, das nicht mehr hinterfragt wird. Nicht nur im Bereich Sex, sondern in anderen Bereichen fehlt Fantasie, Varianten, Überraschungen und Eigenständigkeit.
  • Weiter ist es möglich, dass die Partnerschaft zu wenig Eigenständigkeit zulässt. Das heisst, es "herrscht" zu viel Nähe, die das Begehren und die sexuelle Lust "abtötet". Begehren und Liebe sind zwei verschiedene Dinge. Begehren braucht auch Distanz, Eigenständigkeit und Neugierde.
  • Es fehlt das "getrennte Erleben" (z.B. des Alltags), mit dem man aufeinander zugehen kann, um Neues, Überraschendes etc. zu erfahren, auch oder gerade dann, wenn man einige Jahre schon miteinander zusammen verbracht hat.
  • Es hat sich eine Überanpassung und ein Verzicht auf Auseinandersetzung um die vielen kleinen und grossen Dinge der Partnerschaft eingeschlichen.

Ein möglicher Preis davon ist die fehlende Anziehung. Es braucht auch die Sichtweise, das vieles anders gemacht werden könnte, auch wenn es so, wie es ist, eigentlich ganz gut, harmonisch und effizient läuft. In einer Partnerschaft bleibt es notwendig, dass jeder sich einbringt mit seinen Präferenzen und seinen Bedürfnissen, dass ausgesprochen wird, was einem wichtig ist, welche Vorstellungen und Fantasien da sind und was einem fehlt. Wenn diese Diskussionen in allen anderen Bereichen der Nähe und des Zusammenlebens nicht mehr stattfinden, weil man sich mit den Jahren vermeintlich auf ein rundes, effizientes und stimmiges Funktionieren geeinigt hat, dann fehlt dem Begehren der "Treibstoff".

 

Merkmale und Folgen von sexuellen Probleme in der Partnerschaft

  • Vermeiden von intimen Situationen oder nur Lust auf "Kuscheln" und nicht mehr. Alles, was weiter geht, kann Abwehr, Unlust, allenfalls Ekel auslösen.
  • Plötzliche Gefühle der Müdigkeit oder andere körperliche Reaktionen (Kopfweh), wenn Situationen auftauchen, in denen Sexualität möglich wäre. Gerade bei Müdigkeit, plötzliches Auftauchen von Kopfweh, Anspannungen oder anderen physiologischen Reaktionen handelt es sich oft um eine emotionale Umwandlung von Hilflosigkeit in körperlich-negative Empfindungen. Der Partner weiss nicht, wie mit der Situation umzugehen ist und sein Körper "macht" deshalb auf müde.
  • Wunsch, die Beziehung zu beenden, weil man sich nicht vorstellen kann und will, ohne Sexualität in einer Partnerschaft zu leben.
  • Wunsch nach einer Affäre respektive Sexualität ausserhalb der Bindung.
  • Krisengefühl, latente bis offene Angst, den Partner wegen des Fehlens von Sex zu verlieren.
  • Traurigkeit und Scham können vorhanden sein, weil man sich wegen den sexuellen Problemen nicht mehr als richtiger Mann respektive als richtige Frau fühlt
  • Keine Erektion mehr oder frühzeitiger Samenerguss beim Mann. Nicht ausreichende Lubrifikation der Scheide bei der Frau sowie Schwierigkeiten, sich zu entspannen.

 

Drei Beispiele 

1. Streit statt Gespräche

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In der Therapie erzählt Suzanne, dass sie und ihr Mann eigentlich nur noch deshalb Sex haben, weil sie einen festen Termin, jeweils am Sonntag, dafür vorsehen. Sie hatten diese Abmachung getroffen, nachdem es spontan zu gar keinem Sex mehr kam. Sie hatte einfach keine Lust dazu. Gleichzeitig hatte sie Angst, dass es ohne Sex früher oder später zu einer Trennung kommen könnte. Mit zwei gemeinsamen Kindern im Vorschulalter war das für Suzanne keine Option.

Suzanne erzählt, dass zu Beginn Ihrer Beziehung mit Tom wirklich tolle Gespräche da waren. Sie fühlte sich ihm sehr nahe dadurch. Im Rückblick ist sie sich sicher: Es waren diese Gespräche, bei denen sie sich letztlich verliebte. Und es waren diese Erlebnisse, die ihr das Gefühl gaben, mit dem richtigen Mann zusammen zu sein. Nachdem sie entschieden hatten, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen, gelang es aber nicht, die neu auftauchenden Probleme zu besprechen, ohne dass sehr schnell Streit und gegenseitige Angriffe entstanden. Suzanne wünscht sich so sehr wieder diese gemeinsamen Gespräche von damals. Sie hat das Gefühl, dass sie sich erst dann wieder emotional öffnen kann.

In gemeinsamen Sitzungen lernt das Paar, die verletzlicheren Gefühle offen zu legen statt sie in Angriffswut oder Rückzugskälte umzuwandeln. Und es gelingen dank den gemeinsamen Sitzungen zahlreiche gute Gespräche, so wie früher... Schon bald berichten die beiden, dass sie spontan wieder mal Sex hatten...

 

2. Druck durch inneren Kritiker

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Steven ist auf das Thema Sex in der Beziehung schlecht zu sprechen. Er ist in einer Art Wut gefangen, die sich gegen seine Partnerin Lora richtet. "Wenn ich mit Lora nur häufig genug Sex haben kann, dann gibt es gar keine Probleme. Aber wenn es jedes Mal einen oder zwei Monate dauert, bis wir wieder mal Sex haben, dann klappt es bei mir einfach nicht. Das war schon immer so. Je mehr ich etwas mache, desto mehr Selbstvertrauen habe ich und fühle mich zunehmend sicher. Das gilt nicht nur für den Sex, das gilt für alles, fürs Fussballspielen, Musikmachen oder was auch immer. Wenn es aber umgekehrt so selten ist, dann kommt bei mir der Samenerguss fast schon ganz am Anfang, ausser ich passe wahnsinnig auf. Aber das ist kein toller Sex, zweitens kommt es mir manchmal trotz "Konzentration" sehr schnell, so dass die ganze Sache vorbei ist, bevor es überhaupt angefangen hat. Dann ist Lora irgendwie sauer und fühlt sich zurückgestossen, oder was weiss ich. Und wenn es nicht geklappt hat, dann geht es logischerweise wieder Wochen und Monate, bis wir uns wieder heranwagen. Und so läuft der Teufelskreis..."

In Einzelsitzungen machen wir uns daran, den inneren Kritiker von Steven besser zu verstehen. Hinter der in der Paarsitzung geäusserten Wut steckt natürlich Verletzung, Scham und Traurigkeit, die Steven Lora gegenüber nicht wirklich offen legen kann. Ebenso findet Lora für ihre Gefühle der Verletztheit und Verunsicherung keinen Ausdruck ("will er mich überhaupt?" "findet er mich attraktiv?"). Stattdessen zieht sie sich zurück und mauert in einer Art Rückzugskälte. Sie fühlt sich auch hilflos und wandelt gelegentlich diese Hilflosigkeit in aggressive Wutgedanken um: "Das ist doch kein Mann!" "Er ist an allem schuld!" etc. Letztlich ist sie traurig.

Das individuelle Problem von Steven ist, dass er sich oft sehr schnell unsicher fühlt. Diese Unsicherheit rührt daher, dass er sehr hart und kritisch eingestellt ist gegenüber Misserfolgen, Fehlentwicklungen und Fehltritten jeder Art. Er ist hart gegenüber andern Menschen, aber am härtesten ist er mit sich selber. Wir bearbeiten den Konflikt, der daraus entsteht in separaten Einzelsitzungen.

 

3. Affektive Gesten und Sexualität

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Severin ist sauer auf seine Partnerin. Immer, wenn er eine Initiative ergreift, um intim zu werden, dann weicht Barbara aus. Das letzte Mal war vorgestern. Seitdem schläft Severin, quasi aus Protest, im Gästebett und nicht mehr im Schlafzimmer.

Bei Barbara entsteht schlicht keine Lust und keine Begierde nach Sex, auch wenn die Avancen von Severin eigentlich liebenswürdig sind. Barabara kann sich nicht öffnen, denn seit langem ist Severin ihr gegenüber zurückgezogen und wenig herzlich. Er küsst sie selten, nimmt sie selten in den Arm oder zeigt sonst irgendeine Geste der affektiven Nähe. Wenn Sie zu ihm zärtlich-affektiv ist, dann spürt sie wenig von ihm. Er ist eher abweisend. Wenn sie das Problem anspricht, meint Severin: "Ich bin doch nicht dein Plüschtier!". Barabara ist verletzt. Solange Severin nur dann positive Emotionen ausdrücken kann, wenn es unmittelbar danach zum Sex kommt, verzichtet sie lieber darauf.