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Die Verteilung von und der Umgang mit Zeit, Ressourcen, Status und Einsatz für die gemeinsame Bindung stehen im Zentrum vieler (schwieriger) Diskussionen der Partner.

Die oben genannten Faktoren prägen das Zusammenleben der Partner und machen das Beziehungsmodell aus mit allen Verbindlichkeiten und Abmachungen, Freiheiten und Abhängigkeiten. Wenn Kinder da sind, dann wird die Frage nach dem Modell des Zusammenlebens insofern bedeutsamer, als dass das Modell die Fürsorge und Erziehung von Kindern mit einbeziehen muss.

Evolutionspsychologie

Unser Gehirn hat sich genetisch so verdrahtet über die Jahrhundertausende, dass der Mann für den Nachwuchs schaut, ihn beschützt und miterzieht. Seine prioritäre Aufgabe ist allerdings die Beschaffung von Ressourcen für den Lebensunterhalt. Das lässt ihn mehr unterwegs sein aufgrund der Jagdfährten, dann sammelt er, dann widmet er sich der Nachwuchspflege - in dieser Reihenfolge. Bei der Frau ist es umgekehrt. Sie schaut nach dem Nachwuchs, beschützt und erzieht ihn prioritär, während die Beschaffung für den Lebensunterhalt nachgeordnet ist. Sie ist mehr stationär aufgrund des Nachwuchses, dann sammelt sie und stellt die Güter zum Überleben her, schliesslich ist sie subsidiär Jägerin.

Wer dafür empirische Belege sucht, ob sich diese psychogenetische Vererbung heute ebenso äussert oder nicht, kann am besten bei sich selber schauen oder in der unmittelbaren Nachbarschaft rechts und links von der eigenen Haustüre. Trotz vieler Veränderungen, und zwar nicht erst seit der feministischen Debatte des letzten Jahrhunderts, sondern vielmehr seit der Sesshaftigkeit des Menschen vor plus minus 8000 Jahren, ist dieses Erbe nicht einfach passé. Im Gegenteil. Es braucht gemeinsame Anstrengungen für eine gute Organisation. Es braucht verbindliche Abmachungen, und es braucht die entsprechenden Einstellungen zu einem gleichberechtigten Modell. Dann kann es auch anders funktionieren als der psychogenetische Impuls der Geschlechterteilung es "nahe" legt.

Wer aber als Paar diese Anstrengungen nicht macht, der findet sich, meist nolens volens respektive früher oder später in einer klassischen Arbeitsteilung der Geschlechter wieder. Die Frau kocht, putzt, stellt Alltagsdinge zum besseren Überleben her und erzieht grossmehrheitlich die Kinder. Der Mann geht arbeiten. Wenn er Glück und Talent hat als Chef, und wenn er das nicht hat, geht er trotzdem arbeiten. Bei ausreichend Motivation und ausreichenden Kräften erzieht er während der Restzeit seine Kinder.

 

Evolutionspsychologische Hintergründe

Sesshaftigkeit seit ca. 8000 Jahren (zoom-link) und die flexiblen Module unseres psychogenetischen Erbes

Wir sind erst seit ein paar Tausend Jahren sesshaft. Ein paar Tausend Jahre ist rein quantitativ ein evolutionärer Mikroschritt im Vergleich zu den mehreren Hunderttausend Jahren als Nomaden in der Savanne. Das heisst, es konnte keine natürliche Selektion von inneren Funktionsweisen (spezifische Emotionen) und Verhaltensweisen entstehen, die spezifisch zu dieser Lebensform passten. Die bereits vorhandenen "Module" der menschlichen Natur sind auch für diese Lebensform durchaus geeignet und flexibel genug, aber sie sind ursprünglich für einen anderen Lebensstil hervorgebracht worden.

Die neuen Lebensumstände erzeugten viel mehr Flexibilität bei der Nahrungsbeschaffung und der Nachwuchspflege. Die arbeitsgeschlechtliche Rollenteilung ist nicht mehr so zwingend, weil vieles stationär geworden ist. Ich muss meine Haustiere nicht jagen gehen, deshalb heissen sie auch Haustiere. Diese Lebensbedingungen für Frau und Mann haben grundsätzlich die Kraft, die psychogenetische Vererbung des "afrikanischen Nomadenerbes" aufzuheben respektive ihr entgegen zu wirken.

Zusätzlich kommen die vorhandenen flexiblen Module unseres Gehirns: Unsere Moral (Reziprozität dank Spiegelneuronen), unsere Fähigkeit, kostenlos Wissen und Können weiterzugeben (Sprache), unsere Emotionen wie Dankbarkeit, Schuld, Scham, Angst, Wut, Freude, Bedürfnisse, Motivation, Neugierde und Befriedigung, unsere Fähigkeit zum freien Willen (Hindernisse antizipieren und sie vermeiden), unsere angeborene Tendenz, nicht-blutsverwandte Bindungen einzugehen wie Partnerschaften, Freundschaften und Nachbarschaften.

Die Kombination des neuen Lebensstils mit den flexiblen Modulen unserer Gehirnverdrahtung eröffnet deshalb allen Menschen mehr Optionen der Lebensgestaltung. Die strikte Geschlechteraufteilung des Nomadenlebens zwecks besseren Überlebens (und damit höherer Chancen der Genreplikation) ist so nicht mehr zwingend.

Was "zwingend" geblieben ist, ist unser über Jahrhundertausende gewachsenes Erbe von Verhaltens- und Emotionsmodulen aus der Zeit der "afrikanischen Savanne". Während dieser langen Periode fand der Löwenanteil an natürlicher Selektion und psychogenetischer Anpassung statt. Diese "Module" haben ähnlich einem Computerprogramm sogenannte Default-Einstellungen. Diese (genetischen) Grundeinstellungen bleiben automatisch effektiv, wenn das Paar nichts unternimmt, um anderen Einstellungen zum Durchbruch zu verhelfen.

 

Verschiedene Modelle des Zusammenlebens auf dem Hintergrund des Erbes

Feministinnen sagen oft, meist mit einer gewissen Lust zur Polemik, dass der Kampf der Frauen für eine andere Ordnung Tausende von Jahren alt sei. Und das stimmt auch. Er ist etwa 8000 Jahre alt, seitdem Homo Sapiens angefangen hat, sesshaft zu werden. Die Auseinandersetzung um mehr geschlechtliche Flexibilität beim Lebensstil ist sicher eine alte Geschichte, die seit der Sesshaftigkeit des Menschen deutlich zugenommen haben dürfte. Die Auseinandersetzung dreht sich bei Partnerschaften meist um folgende Punkte:

  • Wer besorgt wieviel Ressourcen zum Unterhalt für die Bindung und die Familie (Erwerb)?
  • Wer kümmert sich wieviel um den gemeinsamen Lebensort (Haushalt)?
  • Wer kümmert sich wieviel um die Kinder? (zoom-link)

Verschiedene Modelle und viele Nuancierungen

Die Antworten auf diese Fragen führen zu vielen möglichen Modellen, mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten und Aufteilungen. Schematisch kann man fünf verschiedene Modelle beobachten:

  • Das traditionelle Modell: Frau kümmert sich um Nachwuchs und den Haushalt, Mann ist voll im Erwerb (Ressourcenbeschaffung)
  • Das traditionelle Modell "gemischt". Frau kümmert sich um den Nachwuchs und den Haushalt und ist teilzeitlich im Erwerb tätig, Mann ist Vollzeit im Erwerb und kümmert sich in der verbleibenden Zeit um den Nachwuchs.
  • Das gleichberechtigte Modell : Frau und Mann kümmern sich zu gleichen Teilen um Nachwuchs, Haushalt und Erwerb
  • Das gleichberechtigte Modell "Light": Beide sind im Erwerb tätig, aber einer ein bisschen weniger. Beide kümmern sich um Haushalt und Kinder, aber einer ein bisschen weniger (jener, der mehr im Erwerb tätig ist).
  • Das traditionelle Modell, aber auf den "Kopf" gestellt: Mann kümmert sich um Nachwuchs und den Haushalt, die Frau ist im Erwerb (Ressourcenbeschaffung).

Wie das Paar ein bestimmtes Modell erlebt, ob befriedigend oder nicht, hängt stark damit zusammen, wie gut sich jeweils beide mit dem gelebten Modell identifizieren. Die Identifikation mit dem Modell ist eine sehr komplexe Angelegenheit, welche verschiedensten Einflüssen unterworfen sind. Zudem kann über Zeit eine befriedigende Identifikation sich verändern und auf einmal Unzufriedenheit und Frustration erzeugen. Oftmals stellt sich die Frage der Identifikation erst sekundär, weil Sachzwänge im Vordergrund stehen. Zum Beispiel müssen zwingend beide arbeiten gehen, damit genügend Einkommen vorhanden ist.

 

Befriedigung und Frustration mit dem Modell des Zusammenlebens

Die Zufriedenheit mit einem Modell des Zusammenlebens hängt davon ab, wie gut sich beide Partner mit dem praktizierten Modell identifizieren können.

minus Die Identifikation ist positiv. Beide sind mit der Aufteilung zufrieden. Die vorhandene Unzufriedenheit und Schwierigkeiten in der Partnerschaft werden selten (oder fast nie) dem Modell des Zusammenlebens angelastet.
minusminus Die Identifikation ist positiv ambivalent. Die Partner sind zu einem grösseren Teil befriedigt mit dem Modell des Zusammenlebens, teilweise sind sie unzufrieden. Sie akzeptieren jedoch die Schwierigkeiten und die damit zusammenhängende Unzufriedenheit und stellen das praktizierte Modell nicht in Frage. Die positiven Seiten scheinen zu überwiegen.
minusplus Die Identifikation ist negativ ambivalent. Die Partner sind zu einem grösseren Teil unzufrieden mit dem Modell des Zusammenlebens, teilweise sind sie dennoch befriedigt. Sie akzeptieren diese Unzufriedenheit aber nicht (wirklich) und wandeln die negativen Gefühle in Wut und Ärger um. Die negativen Seiten scheinen zu überwiegen.
minus Die Identifikation ist negativ. Einer der Partner (oder beide) ist mit der Aufteilung unzufrieden. Die vorhandene Unzufriedenheit und die Schwierigkeiten in der Partnerschaft werden oft  (oder fast immer) dem Modell des Zusammenlebens angelastet. Negative Emotionen, die aus den frustrierten Bedürfnissen hervorkommen, äussern sich in Ärger und Wut und führen zu Angriff oder Rückzug.

 

Häufige Probleme

  • Gewisse Ideale können im Widerspruch stehen zur gelebten Realität. Zum Beispiel gelingt es dem Mann nicht, "erfolgreich" zu sein in seinem Beruf. Er ist unzufrieden, was sich auch auf sein Empfinden als Familienvater oder als Bindungspartner auswirkt.
  • Bei Frauen, die zugunsten von Hausarbeit und Kindern auf ihre (erwerbs-) berufliche Tätigkeit verzichteten oder zurückstecken, entsteht Frustration.
  • Das Zeitmanagement von Beruf, Hausarbeit und Kindern läuft am "Limit". Überforderung und Konflikte rund um das Thema "partnerschaftliche Unterstützung" prägen häufig das Zusammenleben.
  • Die Geburt der Kinder hat das Paar in bestimmte Rollen gezwängt, weil die Ressourcenbeschaffung und die finanzielle Sicherheit auf einmal im Vordergrund standen und alle anderen Kriterien verdrängten. Die Partner fügten sich diesen Sachzwängen.
  • Die Wahl des Modells erlebten beide Partner am Anfang der Bindung als zufriedenstellend. Wichtige Veränderungen im Leben eines Partners oder Wünsche nach Veränderungen machten das Modell aber mit der Zeit unattraktiver und erfordern (innere) Anpassungen.

 

Fünf Modelle des Zusammenlebens - positiv und negative Variante

Es gibt zahlreiche verschiedene Modelle des Zusammenlebens, mit vielen Nuancen, Deals und Arrangements. Untenstehend finden Sie ein paar Beispiele, jeweils ein positives und negatives. Die Einteilung in "traditionell", "traditionell light", gleichberechtigt light" etc. ist meine persönliche und entspricht meiner Erfahrung als Paartherapeut. Es sind natürlich andere Einteilungen denkbar. 

1.1 Traditionelles Modell - positiv

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John arbeitet als Programmierer und Entwickler. Er verdient sehr gut. Seine Partnerin, Isabelle, hat höhere Schulen besucht und auch abgeschlossen. Ihr Einstieg ins Berufsleben gelang ihr allerdings nicht besonders gut. Nicht, dass sie keine Stelle gefunden hätte. Sie hatte Mühe, sich unterzuordnen und innerhalb einer Hierarchie zu arbeiten. Zudem empfand sie die Arbeit eher als langweilig. Sie war selten motiviert. Hätte sie nochmals wählen können, so würde sie etwas ganz anderes studieren. Als sie schwanger wurde, war für sie sofort klar: John verdient gut. Sie würde zwar auch gut verdienen, aber sie freute sich auf die neue Rolle als Mutter und Hausfrau. Sie war ihr eigener Chef. Ihre Mutter war für Isabelle ein positives Vorbild diesbezüglich. Als das zweite Kind da war, hatte sich das Modell schon lange etabliert.

John empfand seine Rolle zu Hause als eine Art "Dienstleistungsempfänger". Manchmal tat er sich schwer mit dieser ganz klaren Aufteilung. Als er eine neue berufliche Stelle suchte, hätte er sich zeitweise gewünscht, dass nicht das ganze Familieneinkommen von ihm abhängt. Aber insgesamt war er auch zufrieden mit dieser Aufteilung. So gut er konnte, widmete er sich meist spät abends und am Wochenende den Kindern. Er schätzte, dass er den Rücken frei hatte, sich beruflich zu entfalten. 

1.2 Traditionelles Modell - negativ

Nach über 14 Jahren gemeinsamer Familien- und mehr als 16 Jahre gemeinsamer Paarzeit nahm sich Sonja vor, die Aufnahmeprüfung für die Ausbildung zur Primarlehrerin zu machen. Sie freute sich, eine neue Herausforderung zu haben. Severin war auch von Anfang an einverstanden. Er wusste, dass er sich nach dieser langen Zeit an die Bedürfnisse seiner Frau anpassen musste. Sie hatten damals beschlossen, dass Sonja wegen der Kinder zu Hause bleiben würde. Sie haben zwei Kinder im Alter von 12 und 14 Jahren. Die beiden Kinder gehen im Dorf in die Sekundarschule. Severin hatte in einem lokalen Betrieb Karriere zum Geschäftsleiter gemacht.

Das Lernen war für Sonja eine zeitraubende, manchmal auch entmutigende Angelegenheit. Sie verbrachte mehrere Monate damit, regelmässig, musste sich aber eingestehen, dass es zu viel Zeit beanspruchen würde. Und ob das erhoffte Resultat dabei herausschauen würde war ebenso unsicher. Obwohl Severin an den Wochenenden seiner Frau den Rücken frei hielt, damit diese Zeit und Ruhe hatte zu lernen: Es reichte nicht aus. Unter der Woche hätte Sonja mehr Einsatz von Severin gebraucht. Bei den Hausaufgaben, beim Abholen der Kinder von den verschiedenen Tätigkeiten, das Abendessen kochen usw. Severin musste sich gelegentlich anhören, er helfe ihr bei diesem Vorhaben zu wenig. Und wenn Sonja dann erst recht das Lehrerdiplom und dann als Lehrerin arbeiten würde, dann wäre ein Modellwechsel definitiv fällig geworden. Sonja konnte sich nicht recht vorstellen, dass Severin da mitmachen würde.

Nachdem Sonja das Projekt fallen gelassen hatte, fühlte sie sich in einer Art Einbahnstrasse und ziemlich demotiviert. Ihren Frust entlud sie regelmässig in Form von Ärger, sei es gegen Severin, sei es gegen die Kinder. 

2.1 Traditionelles Modell "gemischt" - positiv

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Ihre Mutter hatte ihr Leben lang damit gehadert, dass sie nicht mehr Unabhängigkeit hatte von ihrem Mann, Susannes Vater. Dieses Thema war auch von Anfang an präsent in der Beziehung zwischen Susanne und Leon. Beide wollten vor fünf Jahren Kinder. Der Kinderwunsch wurde auch erfüllt. Es war für Leon zuerst nicht ganz einfach zu akzeptieren, dass Susanne mindestens 60% arbeiten gehen möchte. Er hatte Bedenken, wie das gehen sollte, denn sein "120% Job" war sehr zeitraubend. Susanne wusste das.

Susanne musste Leon zuerst für die Idee der teilweisen Fremdbetreuung gewinnen. Als das Kind da war, pausierte Susanne vier Monate und anschliessend gaben sie das Kind für drei Tage in die Krippe.

Mittlerweile sind mehr als fünf Jahre vergangen. Das Modell, dass beide arbeiten gehen, hat sich bewährt. Susanne möchte nach wie vor nicht mehr als Teilzeit arbeiten. Leon ist froh darüber und kann heute seine damaligen Bedenken gar nicht mehr richtig verstehen. "Susannes Identität ist auch stark beruflich geprägt. Es wäre ein grosser Irrtum gewesen, hätte ich an einem traditionellen Modell festhalten wollen. Und ich bin mir sicher, ich hätte sowie so nachgeben müssen...", meinte er lachend. Leon hat durch dieses Modell an Fähigkeit gewonnen, sich besser von der eigenen Arbeit abzugrenzen. Seit mehr als drei Jahren holt Leon das gemeinsame Kind mindestens einmal pro Woche nach der Arbeit ab..

Der einzige Wehmutstropfen für Leon ist, dass das Geld, welches Susanne verdient, grossmehrheitlich für die Fremdbetreuung und von den Steuern "weggefressen" wird. Das war und ist aber für beide nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist, dass Susannes Erwerbstätigkeit einen sehr positiven Einfluss hat auf ihr eigenes Wohlbefinden und damit auch auf die Beziehung. 

2.2 Traditionelles Modell "gemischt" - negativ

Während vielen Jahren blieb Elizaveta zu Hause. Mit ihrem Mann Pedro hatten sie vier gemeinsame Kinder, jeweils im Abstand von zwei, drei Jahren ein neues. Elizaveta hat keine gute schulische Ausbildung im Norden Spaniens genossen. Ihr Mann, Sohn portugiesischer Einwanderer, hatte hingegen einen Beruf erlernt und fand vor etlichen Jahren eine gute, stabile Anstellung.

In ihrer Ehe kriselte es seit einigen Jahren, eigentlich seit dem zweiten Kind. Elizaveta hatte darum gekämpft, trotz der Präsenz von vier Kindern, eine Teilzeitarbeit anzutreten, sobald das jüngste Kind in die Schule gehen konnte. Seitdem ist Elizaveta eigenständiger. Aber ihr kleiner Lohn lässt wenig Spielraum für eigenständige Entscheidungen.

Pedro verdient auf der anderen Seite zu wenig, so dass eine Trennung nur unter grossen ökonomischen Schwierigkeiten überhaupt zu bewerkstelligen wäre. Elizaveta müsste sich weiterbilden, um mehr zu verdienen. Aber sie hat die Zeit nicht dafür.

Pedro denkt nicht im Traum daran, sein Pensum zu verringern, um mehr bei den Kindern zu sein. Es wäre aufgrund der finanziellen Zwänge auch kaum möglich. Die Kinder haben vom Vater immer weniger, denn er hat sich von der Familie weitestgehend zurückgezogen aufgrund der angespannten Beziehungssituation.

Elizaveta hat das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Pedro geht es ähnlich. Sie arrangieren sich irgendwie mit diesen Umständen. Keiner ist wirklich glücklich.

3.1 Gleichberechtigt "Light" - positiv

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Lenas Freundinnen hatten sie immer gewarnt: "Bleib in deinem Berufsleben aktiv, ziehe dich nicht zurück während langer Jahre, um dann keinen Anschluss mehr zu finden". Diese Devise beherzigte Lena, nachdem ihr erstes Kind da war. In ihrer damaligen Partnerschaft arbeitete sie relativ bald in ihrem angestammten Beruf während dreier Tage. Als sie sich von ihrem damaligen Partner trennte, erzog sie die Tochter alleine und arbeitete wie bis anhin.

Nach etwa zwei Jahren lernte sie Tobias kennen. Tobias hatte keine eigenen Kinder, aber wünschte sich, Vater zu werden. Lena war einverstanden, aber unter der Bedingung, dass sie weiterhin zu mindestens 60% arbeiten konnte. Tobias war auf der gleichen Linie. Er fand es wichtig, dass auch er seine Arbeitszeit reduzieren konnte. Als Selbstständiger war dies entgegen den Vermutungen vieler seiner Kollegen gar nicht so einfach. Aber er musste wenigstens keinen Chef fragen. Tobias reservierte schon bald nach der Geburt des gemeinsamen Kindes den ganzen Donnerstag, um zu Hause für die Kinder da zu sein. Für die kleine Tochter sowieso, aber auch für das Kind aus Lenas früherer Partnerschaft. Er arbeitete seitdem zu 80%, plus manchmal noch etwas an den Wochenenden, von zu Hause aus. Susanne hatte weiterhin eine Teilzeitstelle, drei Tage die Woche.

Die Aufteilung war folgende: Susanne war mehr für die Kinder zuständig und mehr für den Haushalt als Tobias. Aber Tobias investierte auch viel Zeit in die Kinder, inklusive Bringen und Holen von der Krippe oder um das Mittagessen zuzubereiten. Er besorgte den wöchentlichen Einkauf, aber ansonsten machte er weniger für den Haushalt.

Die beiden sind mit ihrem Modell zufrieden. Am meisten schätzt Susanne, dass Tobias den Kindern ein sehr präsenter Vater ist und nicht einfach "Mama-Assistent". Tobias ist froh, dass er nicht alleine für den Erwerb zuständig ist, gerade als Selbstständiger gibt ihm Lenas Anstellung Sicherheit. 

3.2 Gleichberechtigt "Light" - negativ

Sandra und Leonard haben beide viel investiert in ihre jeweilige Ausbildung. Leonard hatte zum Zeitpunkt, als Sandra schwanger war, aber doch einiges mehr verdient als Sandra. Irgendwie lag es auf der Hand, dass sich die beiden deshalb darauf einigten, dass Leonard mehr arbeiten sollte als Sandra, einfach wegen des Verdienstes wegen. Sandra dachte sich zwar oft, es würde schon auch gehen, wenn sie zusammen ein bisschen weniger verdienen würden. Dafür würden beide wirklich zu gleichen Teilen für den Erwerb arbeiten und dem Kind schauen. Nachdem das erste Kind 6 Monate alt war, suchte sich Sandra eine neue Teilzeitstelle. Leonard arbeitete 90%, verpflichtete sich aber, an den Wochenenden im Haushalt mitzuhelfen. Zusätzlich war er für das Kind an einem Nachmittag pro Woche alleine zuständig.

Sandra hätte gerne eine gleichberechtigtere Aufteilung. Sie stellte sich vor, dass beide an vier Tagen die Woche arbeiten und jeder einen Tag alleine für das Kind schauen würde. Aber Leonard fand das nicht sinnvoll. Er meinte, er hätte dann in seiner Stellung gar keine Chance mehr, beruflich weiter zu kommen. Sandra fügte sich diesem Argument vor allem auch deshalb, weil es finanziell die bessere Lösung war. Leonard spürte oft, dass Sandra deswegen unzufrieden war. Wenn er auch nur einmal etwas im Haushalt vernachlässigte oder "schleifen" liess, dann entbrannte schnell ein Streit. 

4.1 Gleichberechtigtes Modell - positiv

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Theres und Ivan lebten schon während fast sechs Jahren zusammen. Sie wollten eigentlich keine Kinder, aber als Theres ungeplant schwanger wurde, freuten sie sich. Beide waren voll in ihrem Beruf und keiner konnte sich vorstellen, kürzer zu treten. Sie vereinbarten von Anbeginn, dass nun beide ein Opfer bringen müssen. Ivan musste während fast eines Jahres kämpfen, damit er sein Vollzeitpensum auf 90% runterschrauben durfte. Dieses Pensum konnte er in vier Arbeitstagen bewältigen. Der fünfte Wochentag widmete er fortan der Tochter. Theres ihrerseits hatte einen kleinen Laden und beschloss, nach dem Mutterschaftsurlaub, die Öffnungszeiten um einen Tag zu verkürzen. Auch dieser Tag war ganz der Tochter gewidmet. Das Paar musste für drei Wochentage eine Fremdbetreuung organisieren in Form der Kinderkrippe. An Wochenenden hatten sie gelegentlich Unterstützung von den Grosseltern Ivans. 

Den Haushalt teilen sie sich folgendermassen auf: Theres wäscht an den Samstagen, während Ivan den Wocheneinkauf macht. Putzen und Haushalt machen wird aufgeteilt, so gut es geht, und zwar versuchen beide an ihrem "Kindertag", das Dringendste zu erledigen. Ivan ein bisschen mehr als Theres. Da es deswegen oft eher unordentlich und tendenziell dreckig aussieht bei ihnen, entschlossen sie sich, alle 14 Tage eine bezahlte Putzkraft zu engagieren.

Beide empfinden ihren Lebenstil als Eltern, Paar und Berufsleute sehr hoch getaktet. Aber sie unterstützen sich beidseitig und finden spät abends Zeit und Kraft, einander zuzuhören bei gelegentlichen Überforderungsattacken. Sie möchten es in keinem Fall anders haben. Das Gefühl, dass beide im genau gleichen Boot sitzen, gibt ihnen viel Stärke und Zuversicht. Ihre Tochter kennt kein anderes Modell und erzählt stolz in der Krippe, dass beide Eltern arbeiten und zu Hause das Gleiche machen.

4.2 Gleichberechtigtes Modell - negativ

Dienstagabend, 18.30 Uhr. Stefan ist bereits zu Hause und nimmt seinen Sohn, Jonas (7),  in Empfang. Melanie kommt erst ein bisschen später. Die Kindernanny, ein Au-Pair-Mädchen, das die beiden sehr sorgfältig für ihre Kinder ausgesucht haben, ist bereits seit zwei Jahren fester Bestandteil der Familie. Die jüngere Tochter geht zwei Tage in die Krippe, so dass das Au-Pair-Mädchen dann untertags frei hat.

Melanie und Stefan arbeiten beide Vollzeit. Die Entscheidung, dennoch Kinder zu haben, war für beide ein bewusster Entscheid. Doch schon relativ bald kämpfte Melanie mit gewissen Schuldgefühlen. Als der Sohn Jonas ein Jahr alt war, fing Stefan an zu denken, dass es vielleicht doch besser wäre, Melanie würde reduzieren. Seit der Geburt der Tochter macht Stefan mehr solche Bemerkungen an die Adresse seiner Partnerin. Dies führt regelmässig zu einer Missstimmung.

Die hohen Kosten (Nanny, Krippe) führen ebenso zu Diskussionen zwischen den Partnern. Stefan hat zudem das Bedürfnis, von seinen Problemen bei der Arbeit zu berichten. Aber Melanie mag nicht wirklich zuhören. Ihr ist das zu viel. Sie hat mit ihrer Kaderstelle selber genug Stress am Hals. Obwohl ihr Modell ganz stark von der Erwerbstätigkeit geprägt ist, erfahren sie eigentlich nicht viel voneinander und geben sich selten moralisch Unterstützung.

Das Au-Pair-Mädchen hat auf Ende Jahr gekündigt. Diese Situation ist für beide eine grosse Herausforderung. Sie müssen eine neue geeignete Erziehungsperson suchen. Gleichzeitig stehen auch Grundsatzdiskussionen bevor. Beide spüren das. 

5.1 Auf den Kopf gestelltes Modell - positiv

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Esteban hatte während des ersten Jahres, nachdem er in die Schweiz gekommen war, aktiv nach einer Anstellung in seinem Beruf gesucht. Aber er hatte nicht wirklich eine reelle Chance aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse. Virginie konnte als im Land ausgebildete Lehrerin sehr schnell etwas finden. Ihr Verdienst reicht auch aus, um die Familie mit zwei Kindern zu ernähren. Für grossen Luxus reicht es nicht, aber beide sind zufrieden mit dem Standard. Obwohl Esteban sich in jüngeren Jahren nicht im Traum ausgemalt hatte, Hausmann zu werden, konnte er sich mit dieser Rolle sehr schnell und zufriedenstellend zurechtfinden.

Er hatte auch sozial keine Mühe mit seiner Rolle, sei es vor den Lehrern der Kinder oder in der Nachbarschaft. Ihm war das egal. Er schätzte seine Tätigkeit. Gelegentlich ist er selber überrascht, dass er keine Identitätsschwierigkeiten als Mann hat. Virginie hatte selber eine beruflich aktive Mutter. Für sie käme es auch nicht in Frage, dass Esteban irgendeinen Job ausüben soll. Wenn schon, dann etwas, das ihm entspricht. Aufgrund seiner eher durchschnittlichen Deutschkenntnisse hatte er aber einfach keine Chance in seinem Beruf. Sie empfindet es manchmal als Belastung, dass der ganze Erwerb nur von ihr abhängt.

Falls sich Esteban entscheiden sollte, doch einen Job zu suchen, so wäre sie auch offen, ihr eigenes Pensum als Lehrerin zu überdenken und es herunterzufahren. 

5.2 Auf den Kopf gestelltes Modell - negativ

Florian hatte vor fünf Jahren seine Stelle wegen eines Unfalls verloren und seitdem vergeblich versucht, eine neue Stelle zu finden. Er hat eine Teilrente von der IV seit etwa zwei Jahren. Seine Frau, Isabelle, konnte zum Glück relativ schnell mehr arbeiten und so für den Verdienst sorgen. Seitdem Isabelle zu 100% erwerbstätig ist, übernahm Florian die ganze Hausarbeit und auch die Kinderbetreuung.

Florian hat innerlich resigniert. Er glaubt nicht mehr, dass er seine berufliche Laufbahn weiterführen kann. Er ist unfreiwillig in eine Rolle geschlüpft und kann sich nicht wirklich damit abfinden. Die gemeinsamen Kinder werden von ihm betreut, aber er ist nicht mit dem Herz bei der Sache. Isabelles Kritik ist dementsprechend. Sie versucht beispielsweise am Morgen, das Frühstück für die Kinder vorzubereiten, falls es die Zeit zulässt. Sie weiss, dass ihr Mann sich kaum die Mühe macht, etwas Frisches zuzubereiten. Das Kochen passt Florian überhaupt nicht. Er muss sich zwingen. Meistens gibt es Fertiggerichte.

Die Partner haben oft Auseinandersetzungen wegen der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung durch Florian. Florian fühlt sich zusätzlich zu seiner Resignation durch die Partnerschaft angegriffen. Die Beziehung leidet unter diesem Modell. Beide empfinden es als eine Art Sackgasse.