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verlustangst

Wenn man einen Menschen verbindlich  in seine Nähe lässt, so kann es manchmal schwierig sein zu ertragen, dass niemand auf der Welt eine Garantie geben kann, immer da zu sein, immer das gleiche Bedürfnis zu haben und immer so zu reagieren, wie es einem am besten passt. Das gilt vor allem für den Partner, mit dem man selber zusammen ist. Wir alle fürchten uns zwar manchmal davor, den Partner zu verlieren und können Gefühle der Eifersucht empfinden. Wir alle können zeitweise Angst haben davor, dass die Nähe zu unserem Partner keinen Bestand hat. Verlustangst ist aber deutlich intensiver. Von Verlustangst zu reden macht Sinn, wenn...

  • diese Problematik sehr intensiv erlebt wird, das Erleben quälend ist und fast nicht aushaltbar.
  • es auch dann noch passiert, nachdem sehr viele Zeichen der Liebe, Geborgenheit und Verfügbarkeit in der Beziehung gegeben werden.
  • es auch dann noch passiert, wenn man eigentlich bereits zu viel Kontrolle übereinander zugelassen hat und der Partner Hobbies, Interessen und Freundschaften vernachlässigt, nur um die Verlustangst nicht hervorzurufen.

Verlustangst ist ein Problem der emotionalen Selbstregulation und hat viele Gemeinsamkeiten mit dem sogenannten ängstlichen Bindungsstil. Es ist für die betroffenen Personen schwierig, das innere Bindungsgefühl aufrecht zu erhalten, wenn der Partner nicht da ist, andere Bedürfnisse hat oder aber in seiner Eigenständigkeit und Unabhängigkeit erfahren wird.

Verlustangst kann ganz verschiedene biografische Hintergründe haben.

 

Hintergründe für Verlustängste

thumb verlustangst
  • Der Partner, welcher viel Verlustangst erlebt, zweifelt daran, dass man mit ihm / mit ihr als Mensch und Person wirklich zusammen sein möchte. Dieser Partner zweifelt letztlich daran, genügend wertvoll, attraktiv, interessant etc. sein. Diese Selbstunsicherheit erschwert die emotionale Selbstregulation bei Abwesenheit des andern oder wenn dieser ein anderes Bedürfnis hat als man selber.
  • Intensive positive Emotionen und intensive negative Emotionen (vor allem Angst) werden häufig gleichzeitig aktiviert und vermischen sich zu Eifersucht. Sie liegen zu nahe beieinander und sind zu wenig ausdifferenziert (Bindungserbe). Eine ausreichende Differenzierung würde bedeuten, dass man lieben kann, ohne dass die Angst automatisch mitschwingt, den Partner zu verlieren. Eine ausreichende Differenzierung würde bedeuten, dass man sich für den Partner wichtig genug fühlt, ohne dass die Angst sofort mitschwingt, ob es in naher Zukunft noch so sein wird.
  • Personen, die eine Tendenz zu Verlustangst haben, haben es umso schwerer, wenn ihr Partner Schwierigkeiten hat mit der Selbstregulation von positiven Gefühlen. In Partnerschaften, in denen der andere Partner oft den Ausdruck von positiven Gefühlen unterbricht und meistens nur auf positive Gefühle als Zweiter reagiert, statt auch pro-aktiv zu sein, werden vorhandene Verlustängste intensiviert.
  • Um Nähe zu bekommen war in der Herkunftsfamilie oder in einer vergangenen Partnerschaft häufig ein grosser Kampf vonnöten (z.B. zwischen Geschwistern). Ansonsten blieb es bei zu viel Distanz und den entsprechenden Gefühlen der Hilflosigkeit, Verlassenheit etc. Vorhandene Nähe wird deshalb oft als etwas erfahren, dass gleich wieder vorbei sein könnte.
  • Einer der Elternteile war in seinen Forderungen sehr dominant und herrisch. Es musste immer nach seiner Pfeife getanzt werden. Dieses Schema wird auf den eigenen Partner übertragen. Verlustangst wird oft mit Dominanz und Kontrolle "bewältigt". Dahinter steckt aber in der Regel diese Angst.
  • Die Herkunftsfamilien der beiden Partner waren sehr unterschiedlich in Bezug auf die gelebte Nähe. Bei der einen Familie wurde ständige Präsenz markiert, alles wurde quasi gemeinsam gemacht, nie wurde man wirklich alleine gelassen. Bei der andern Herkunftsfamilie war die gelebte Bindung distanzierter, unabhängiger. Es wurde weniger nachgefragt, was man gerade macht, wo man ist und wieso. Mehr zum Thema unterschiedliches Bindungserbe hier.
  • Es gibt im Leben jenes Partners, der Verlustängste hat, verschiedene Ereignisse oder zumindest ein sehr intensives Ereignis der Verlassenheit, welches immer wieder mitaktiviert wird, sobald es zu mehr Distanz kommt.
  • In der Herkunftsfamilie oder in einer früheren Partnerschaft war es oft unklar für die Person, wie sehr die Bindungspersonen wirklich hinter einem stehen, ob sie wirklich da wären, wenn man sie brauchte. Es herrschte oft eine Ambivalenz der Zugehörigkeitsgefühle vor. Bei Nichtverfügbarkeit des aktuellen Partners wird diese alte Ambivalenz mitaktiviert.

 

Merkmale und Folgen von Verlustängsten

  • Regelmässige Eskalationen rund um die Eigenständigkeit des Partners und Bedürfnisse, die mit Autonomie, Freiheit, Selbstständigkeit, eigener Freundeskreis etc. zu tun haben.
  • Intensive, schmerzhafte Eifersuchtsgefühle, die zu ungesunder Wut und einem Angriff führen (unter anderem in der Form von übertriebener Kontrolle). Einerseits werden negative Emotionen der Verletzlichkeit wie Angst, Unsicherheit, Hilflosigkeit und Verlassenheitsgefühl empfunden. Auf der andern Seite sind gleichzeitig intensive positive Emotionen wie Liebe und Begehren vorhanden. Bei Eifersuchts-"Kranken" und von Verlustängsten Geplagten sind intensive negative (vor allem Angst) und intensive positive Emotionen zu nahe beieinander, wie aneinander gekoppelt. Daraus entsteht eine Mischung, die als Eifersucht wahrgenommen wird.
  • Sich blockiert fühlen und nichts unternehmen wollen, wenn der Partner fort ist.
  • Bedürfnis zu kontrollieren: Agenda, Handy, Email, Social Media, Freundeskreis, Beschäftigungen ausser Haus, Berufsverpflichtungen etc.
  • Momente der Zweisamkeit und Intimität werden häufig im Nachhinein auf negative Anzeichen analysiert: Wollte er/sie wirklich mit mir zusammen sein? War es wirklich schön? Hätte er/sie es mit jemand anderem vielleicht schöner, lustiger, besser etc. gefunden? Dieses Revue-Passieren-Lassen kann so lange dauern, dass vom Schönen, Lustigen etc. emotional nichts mehr übrig bleibt.
  • Beim anderen Partner entsteht häufig eine grosse Hilflosigkeit und Verzweiflung. Diese intensiven Emotionen werden in einen Rückzug verwandelt ("kalte" Wut). Ebenso existiert ein Klima der Angst, sich selber zu sein. Eigene legitime Bedürfnisse werden zur Seite gestellt, um den Erwartungen zu entsprechen. Auch dadurch entsteht negative Nähe.

 

Beispiele

1. Aus Verlustangst ein Wochenende verplanen

Als Stefan fröhlich nach Hause kam, fragte Carla leicht nervös, was ihn denn so fröhlich stimmt. Stefan zögerte, aber antwortete dann: "Es war wirklich super, nach Feierabend sind wir alle noch ein Bier trinken gegangen und hatten es unglaublich lustig. Peter, du weisst schon, dieser Arbeitskollege, hat ziemlich aufgedreht und derbe Sprüche geklopft. Es war zum Schreien!"

Carla hörte ohne hinzuschauen zu. In ihr stieg ein komisches Gefühl hoch, wie eine Art Angst. "Mit mir lacht er nie so. Der hatte es wieder mal lustig, natürlich ohne mich." Sie ertappt sich beim Gedanken, dass Stefan vielleicht genau das in der Beziehung fehlen könnte. Dieser Gedanke fühlt sich schrecklich an.

In ihrem Kopf jagen sich Gedanken: "Worüber die wohl alles geredet haben? Und wahrscheinlich haben sie alle zusammen bereits vereinbart, bei der nächsten Gelegenheit in den Ausgang zu gehen." Sie hat Angst, dass Stefan ihr zum Beispiel sagen könnte, dass er sich mit der gleichen Gruppe am nächsten Samstag wieder treffen werde.

Am liebsten würde sie jetzt das Handy von Stefan anschauen. Vielleicht hat er bereits etwas abgemacht? Und vielleicht ist da auch eine Frau dabei? Sie muss das verhindern, sagt sie zu sich. Auf einmal meint sie zu Stefan: "Du Schatz, ich würde gerne das kommende Wochenende mit dir vereisen, eine Städtereise oder so, weisst du!". Sie ist sich fast sicher, dass Stefan nicht nein sagen kann. Und froh darüber, denn so hat sie die Gefahr gebannt, dass Stefan am Wochenende die Kollegentruppe nochmals sehen wird. Darauf Stefan: "Ja, eigentlich eine gute Idee... wieso nicht."

 

2. Mein Partner macht das absichtlich...

Carla wartet und wartet auf ein SMS von Stefan. Eigentlich sollte er ihr um 20 Uhr etwas schreiben. Das war so abgemacht. Das muss er immer machen. Aber das SMS kommt nicht. Sie ist nervös und spürt, wie die Anspannung in ihr steigt. Sie sieht vor ihrem Auge das Bild, wie sich Stefan heute doch recht chic angezogen hat. "Wieso nur?" fragt sie sich auf einmal.

Stefan ist angeödet. Eigentlich hat er genug, immer diese Berichterstattung durchzugeben, was und wann und wie und mit wem und warum etc. Er weiss aber auch, wenn er jetzt nicht bald schreibt, dann ist zu Hause die Hölle los. Am liebsten ginge er heute Abend in ein Hotel schlafen und käme einfach am nächsten Morgen wieder. 

Carla hat unterdessen schon drei Mal versucht, Stefan zu erreichen und ein SMS geschrieben. Die Anspannung in ihr ist unglaublich gross. Sie würde am liebsten etwas kaputt schlagen. Sie kann nicht anders als sich unglaublich wütend zu fühlen. Sie weiss zwar, dass das nicht helfen wird. Gleichzeitig finde sie Stefan so gemein und hinterhältig. Er weiss doch, wie sehr sie leidet, wenn sie nichts von ihm hört. "Wieso tut er mir das an? Wer kann so gemein sein? Das ist doch kein Partner, so jemand!"